Milan Bulaty

Arbeitstage

Sprache: Deutsch
152 Seiten, Hardcover
0 Abbildungen
ISBN: 978-3-95565-218-0
Erschienen: 2017
17,90 €

Erzählung

„Viele Menschen, die nun aus- und einsteigen, ziehen kleinere oder größere Koffer und Taschen hinter sich her. Alte Koffer ohne Rollen, die man am Henkel tragen muss, gibt es fast nicht mehr. Ab und an werden sie von jungen Menschen getragen, die sich dadurch von der Masse abheben wollen. In meiner Jugend in Prag hatten wir Koffer, die braun waren und aussehen sollten, als seien sie aus Leder. In Wirklichkeit waren sie aus fester Pappe. Sie waren nicht besonders stabil und brachen auseinander, wenn die Pappe einriss. Mit so einem Pappkoffer bin ich von zu Hause ausgezogen.“

„Arbeitstage“ erzählt aus der Ich-Perspektive eines tschechischen Emigranten mit jüdischen Wurzeln von der banalen bis skurrilen Alltagswirklichkeit eines langjährigen Bibliotheksdirektors in Berlin.
In einem Geflecht aus Autobiographie und Fiktion, Vergangenheit und Gegenwart mischen sich Alltags- und Traumwelten, Gedanken- und Wunschkonstruktionen – historische, berufliche, familiäre und auch sexuelle. Die Erinnerungsfragmente an das Über- und Weiterleben der Eltern, die eigene Kindheit in der Tschechoslowakei, Flucht und Emigration über Rumänien in die Schweiz durchzieht, wie ein roter Faden, das Privateste und Menschlichste im fest strukturierten Tagesablauf innerhalb einer klar begrenzten räumlichen Oszillation im Berliner Berufsverkehr.
Bulaty erzählt eine Emigrationsgeschichte, deren präzise Sprache sich außerhalb tradierter Muster und Diskurse bewegt und eine irritierende Alltäglichkeit entwirft. In kurzen, prägnanten Sätzen gelingt Bulaty der fließende Übergang von Gegenwartsbeschreibungen zu Erinnerungen und Gedanken an die Vergangenheit. Gleichzeitig erlaubt er den Einbruch des Grotesken in eine nur scheinbar belanglose Alltagswelt.

In den Ablauf eines Arbeitstages sind Gedanken, Erinnerungen und Beobachtungen des Ich-Erzählers geflochten: jüdische Wurzeln, Kindheit in Prag, Flucht aus der Tschechoslowakei sowie der Alltag in Deutschland. Die Erzählung vermittelt in einer scheinbar einfachen und zurückhaltenden Sprache die Verwobenheit des Lebens mit der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

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Milan Bulaty

geboren 1946 in Prag und dort aufgewachsen. 1970 Emigration, Studium der Philosophie in Prag, Freiburg i.Br. und Heidelberg. Mitarbeiter der Amerika-Gedenkbibliothek und später Leiter der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, Gründungsdirektor des Grimm-Zentrums.

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