Aus eines Mannes Mädchenjahren
220 pages, softcover with (fold-in) flaps
5 illustrations
ISBN: 978-3-95565-477-1
Publication date: 2021
22.00 €
Mit seiner 1907 unter Pseudonym veröffentlichten Autobiographie gewährte Karl M. Baer erstmals einen Einblick in das Aufwachsen im falschen Geschlecht. N.O.Body schrieb sich die qualvollen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend von der Seele: Sein Geschlecht war nicht eindeutig bestimmbar; seine Eltern ließen ihn als Mädchen aufwachsen.
Hermann Simon löste das Rätsel um die Identität des Autors und erzählte dessen Lebensgeschichte von der Frauenrechtlerin und engagierten jungen Sozialarbeiterin im Kampf gegen Mädchenhandel zu einem Mann, der später im Berliner jüdischen Kulturleben eine wichtige Rolle spielte.
Diese überarbeitete und kommentierte Neuauflage vertieft den Blick auf die erste Frauenbewegung, auf die medizinischen Möglichkeiten der Diagnostik und Beurteilung von uneindeutigem Geschlecht um die Jahrhundertwende und auf die veränderte Registrierung und Gesetzgebung durch die Einführung der Standesämter und des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Es gibt kein vergleichbar belegtes Ego-Dokument, an dem sich sowohl der individuelle als auch der gesellschaftliche, medizinische und juristische Umgang mit uneindeutigem Geschlecht um 1900 ablesen lassen. Es liefert einen wichtigen Beitrag zur Gender- und Identitätsgeschichte, der auf die aktuelle Debatte um die Dritte Option Bezug nimmt und diesen historisch untersetzt. Die Aufzeichnungen gelten bis heute als Standardwerk in den Gender Studies. An ihr lassen sich zudem Anerkennung und Ausgrenzung doppelter Minderheiten innerhalb und außerhalb der eigenen Gemeinschaft nachvollziehen: Was bedeutet es jüdisch und queer zu sein?
Herausgegeben und mit einem historisch-biographischen Nachwort von Hermann Simon
Mit dem Originalvorwort von Rudolf Presber und einem Vorwort von Christina von Braun
Mit dem Originalnachwort von Magnus Hirschfeld
Medizinhistorische Kontextualisierung von Marion Hulverscheidt
Rechtshistorische Kontextualisierung und Bezug zur Dritten Option von Konstanze Plett
„Dieses Buch ist ein Buch der Wahrheit. Ich habe von einem armen Leben erzählt, das durch viele Wirrnisse gehen mußte, ehe der einsame, unglückliche Wanderer den richtigen Weg fand.“ N.O.Body, Aus eines Mannes Mädchenjahren
„Das Geschlecht des Menschen ruht viel mehr in seiner Seele als in seinem Körper […]“ Dr. med. Magnus Hirschfeld, Nachwort
Mit freundlicher Unterstützung der Moses Mendelssohn Stiftung und Hannchen Mehrzweck Stiftung
»Nach wie vor gibt es zum Thema Inter-Sein nicht genug öffentliche Aufklärung. "Aus eines Mannes Mädchenjahren" liefert einen fundierten Einblick in die Geschichte von inter Menschen in Deutschland und trägt hoffentlich dazu bei, aktuelle Kämpfe um Selbstbestimmung historisch zu untermauern.« Queer.de, 19. Februar 2022
»Ein wichtiges Buch mit ungebrochener Aktualität, das die Feststellung Magnus Hirschfelds im Originalnachwort auf so eindringliche Weise zeigt: „Das Geschlecht des Menschen ruht viel mehr in seiner Seele als in seinem Körper“.« haGalil, 11. Februar 2022
Französische Rezension bei En Attendant Naveau, 3. Juni 2022
»Auch wenn man ihm [N.O. Body] (besonders aus heutiger Perspektive) nicht immer zustimmen mag, so regen seine Gedanken und seine Geschichten doch zum Nachdenken über das komplexe Thema Geschlecht an. Allein schon aufgrund seiner Einzigartigkeit ist dieser autobiografische Bericht unbedingt lesenswert.« Dr. med. Mabuse 47(3) 2022
»Gerade angesichts [von Vorstößen], in den letzten Jahrzehnten erstrittene Errungenschaften sozialer und geschlechtlicher Vielfalt wieder rückgängig zu machen und einschränkenden Reinheitsvorstellungen abermals – und mit Gewalt – Geltung zu verschaffen, kommt die von Hermann Simon herausgegebene Neuauflage von Baers bahnbrechendem Bericht zur rechten Zeit.« Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 72/2022
"Der geneigte Leser wird sich schnell in die Geschichte hineinfinden, und – vorzugsweise am Kamin und nicht am Schreibtisch – nicht nur von der Handlung ergriffen, sondern auch von der szenischen Gestaltung und der Ausdrucksweise berührt sein, Leid und Lebenslust, Humor, Fröhlichkeit und Lebensmut spüren. Immer wieder staunend – und schließlich überrascht sein von der erwachsenden Persönlichkeit Nora/Norbert – so ihr engagiertes Auftreten auf öffentlichen Versammlungen über Frauenrechte. Ist schon das Buch im Buche nicht nur eine Lebensgeschichte, sondern auch ein Zeitzeugnis, so sind die zusätzlichen Texte ihrerseits Zeitzeugnisse und von erheblichem Erkenntniswert." Kurt Starke, Sexuologie 29, 2022