Julius H. Schoeps

Düstere Vorahnungen

Deutschlands Juden am Vorabend der Katastrophe (1933–1935)

Sprache: Deutsch
618 Seiten, Klappenbroschur
0 Abbildungen
ISBN: 978-3-95565-695-9
Erschienen: 2024
26,00 €

Jetzt auch als Taschenbuch

Wie konnte es dazu kommen? Wie haben die Juden die Ereignisse vor und nach der sogenannten Machtübernahme durch Hitler und die Nationalsozialisten wahrgenommen? Wie haben sie auf die systematische Ausgrenzung reagiert? Wurde der organisierte Massenmord, wie von manchen vermutet, bereits in den Anfängen des Hitler-Regimes vorgedacht? 
Mit diesen und anderen Fragen zur Lage der deutschen Juden in den Anfangsjahren des NS-Regimes beschäftigt sich der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps in „Düstere Vorahnungen“. Er bezieht sich dabei, neben der einschlägigen Forschung, vor allem auf Lebenszeugnisse, also Erinnerungen, Tagebücher, Briefwechsel und andere Ego-Dokumente, die die Reaktionen der Juden u.a. auf den NS-Terror im Alltag, auf die Verdrängung aus dem Kultur-, Wirtschafts- und Berufsleben, auf den Raub und die Arisierung von Eigentum behandeln.
Schoeps versetzt den Leser in die Lage, sich aus der Perspektive der deutschen jüdischen Bevölkerung ein Bild von den Anfangsjahren des NS-Regimes und von ihren Befindlichkeiten und Befürchtungen zu machen. Seine narrative Zusammenschau weicht damit in einigen wesentlichen Punkten von den tradierten Sichtweisen etablierter Historiker auf diese Zeit ab, die zumeist die Täterperspektive fokussieren, aber die Opferperspektive häufig vernachlässigen. 

„Julius H. Schoeps gelingt ein jüdischer Blick auf die Entscheidungsjahre 1933 – 1934 – 1935, der die Katastrophe für das jüdische Leben in Deutschland höchst spannend analysiert.“ Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, ehem. Direktor Stiftung Topographie des Terrors

Inhalt

Vorboten des Kommenden 

Pöbeleien, Attacken und Mordanschläge | Die „Ostjuden“, die Münchener Zustände und der Berliner Scheunenviertel-Pogrom | Adolf Hitler, das Bekenntnisbuch „Mein Kampf“ und dessen Rezeption in der jüdischen Öffentlichkeit | Drohbriefe, Beschimpfungen und Unterstellungen als Mittel der Einschüchterung | Der Antisemitismus gewinnt an Boden, Übergriffe und Attacken häufen sich | Vom Barmat- zum Sklarek-Skandal: Finanzbetrügereien aus jüdischer Sicht | Exkurs: Der Fall Emil Julius Gumbel | Der Judenhass entlädt sich in den Ost- und Nordsee-Badeorten | Das Menetekel an der Wand: Am Vorabend der NS-Machtübernahme | Das Streitgespräch zwischen Hans Blüher und Hans-Joachim Schoeps | Zwischen Integrationshoffnungen, Isolationsängsten und pessimistischen Zukunftserwartungen 

Wachsende Angst, zunehmender Druck 

Der Tag der sogenannten Machtergreifung: Reaktionen und die weitere Entwicklung | Der „Entwurf“ zu einem Judengesetz, Vordenker des Rassenantisemitismus, Strafandrohungen | Der Reichstagsbrand, die Einzeltäterthese und die Debatten um die Motive des Anschlags | Die Ausschaltung der Regimegegner, Festnahmen und brutale Misshandlungen | Die Märzwahlen, ihre Ergebnisse und die sich für die jüdische Bevölkerung verschlechternde politische Lage | Die internationale Öffentlichkeit nimmt von den Vorgängen in Deutschland Notiz | Die angebliche „Greuelpropaganda“ macht den Nazis zu schaffen und wird von jüdischer Seite bestritten | Der „Tag von Potsdam“ und seine symbolische Bedeutung | Das „Ermächtigungsgesetz“: Die Demokratie wird ad acta gelegt | Der Boykott vom 1. April und die Reaktionen in der jüdischen Bevölkerung 

Ausgrenzung und Entrechtung 

Rechtsanwälte verlieren ihre Zulassungen und werden aus ihren Kanzleien verdrängt | Die Ausgrenzung, Verdrängung und Entrechtung jüdischer Ärztinnen und Ärzte | Die „völkische“ Gesetzgebung nimmt deutlichere Konturen an | Exkurs: Das Theaterstück „Professor Mamlock“ | Ein wirkungsloser Protest: Armin T. Wegner und sein Appell an Adolf Hitler | Im Brennpunkt: Die Universitäten und Forschungseinrichtungen | Wie jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Ausgrenzungsmaßnahmen reagierten | Der Druck nimmt zu: Jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlassen Deutschland | Öffentlich geächtet und vogelfrei: Der Verlust der Staatsbürgerschaft | Inszenierte Demütigungen: Die Aberkennung akademischer Titel | Unterlassen und Schweigen: Die Protestanten | Widerstehen oder Mitmachen: Die Katholiken | „Die Welt lässt sich nicht belügen“: Reaktionen ausländischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller

Vertreibung aus dem deutschen Geistes- und Kulturleben 

Der Alltag jüdischer Studierender | Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ | Der Sturm auf Magnus Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft | Die Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz | Weitere Verbrennungsorte: Dresden, Göttingen, Frankfurt am Main | Exkurs: Der Maler Max Liebermann und sein Ausscheiden aus der Preußischen Akademie der Künste | Chronist der Ereignisse: Der Tagebuchschreiber Albert Herzfeld | Die Vertreibung aus den Theatern und dem Musikleben | Die Filmbranche: Schauspieler, Regisseure und Drehbuchautoren verlieren ihre Arbeitsplätze | Die Brüder Rotter, der Hass der Nationalsozialisten und die Folgen | Die „Gleichschaltung“ der Presse, der Zeitungs- und Buchverlage | Paul Nikolaus Cossmann und die „Süddeutschen Monatshefte“ | Das Verkennen der Gefahr: Das Schicksal der Kinderbuchautorin Else Ury 

Mord und Terror im Alltag 

Opfer „wilder“ Terrormaßnahmen | Der Umgang mit Kieler Regimegegnern: Wilhelm Spiegel und Friedrich Schumm | „Schutzhaft“, Folterstätten und „frühe“ Konzentrationslager | Die „Köpenicker Blutwoche“ | Das Denunzianten-Syndrom: Spitzeldienste und Zuträgereien | Exkurs: Verrat und Kollaboration | Die „Rassenschande“-Psychose: Sexualphantasien, „Blutschande“-Vergehen und der Vorwurf der „illegitimen“ Beziehung | Die Ermordung des Philosophen und Schriftstellers Theodor Lessing | Doppelt verdächtig: Felix Fechenbach als Sozialdemokrat und Jude | Ein spektakulärer Justizmord: Der Fall Sally Epstein | Mord und Gewalttaten im Spiegel von Schwarzbüchern, Tagebuchaufzeichnungen und Erlebnisberichten 

Verdrängung, Raub und die Arisierung von Eigentum und Besitz 

Entstehende Panik und das Bemühen, sich in Sicherheit zu bringen | Devisenzwangsbewirtschaftung, Steuersteckbriefe, „Reichsfluchtsteuer“ | Das Ha‘avara-Transferabkommen | Die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben | Die „schleichende“ Arisierung: Wie Geschäfte und Firmen den Besitzer wechseln | Die Warenhausketten Tietz, Wertheim und Schocken | Die Entlassung jüdischer Angestellter, Direktoren, Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder bei den Großbanken | Die Beteiligung der Großbanken bei der „Übernahme“ jüdischer Unternehmen | Die Liquidierung und „Arisierung“ jüdischer Privatbanken | Das Bemühen, Eigentum und Besitz zu retten | Kunstsammlungen werden außer Landes gebracht und dem Zugriff der NS-Behörden entzogen 

Selbstbehauptung und Abwehrkampf 

Die Gründung der „Reichsvertretung“ und Vorbereitungen zur Auswanderung | Die Hachschara-Ausbildungslager: Berufsumschichtungsaktivitäten und die Ausbildung handwerklicher Fertigkeiten in Groß Breesen | Das Einüben von Gemeinschaftsgefühl und Selbstbewusstsein in jüdischen Schulen, Sportvereinen und Jugendbünden | „Gegen Assimilation um jeden Preis“: Der Deutsche Vortrupp. Gefolgschaft deutscher Juden | Hans-Joachim Schoeps und das Beiblatt „Geist des Judentums“ der RjF-Zeitschrift „Der Schild“ | Exkurs: Die „Zusammenarbeit“ zwischen Nationalsozialisten und Zionisten | Die Bernheim-Petition oder: Das Bemühen, NS-Deutschland in die Schranken zu weisen | „In der Not ein stolzes Bewußtsein für bessere Zeiten zimmern“: Die Aktivitäten des „Jüdischen Kulturbundes“ | Das Frankfurter Lehrhaus-Konzept und die Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung | Das Bemühen um Identität: Selbstbehauptung im Spiegel jüdischer Zeitungen und Gemeindeblätter | Die jüdischen Buchverlage in den Jahren 1933 bis 1938 | Der „Vortrupp-Verlag“ und sein Programm | Abwehrstrategien gegen den nationalsozialistischen Terror 

Epilog oder: Flucht, Exil und Rückkehr



Julius H. Schoeps

ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er war Professor für Politische Wissenschaft und Direktor des Salomon Ludwig Steinheim Instituts für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg; Professor für Neuere Geschichte (Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte) an der Universität Potsdam; zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Israel, Großbritannien und weiteren europäischen Ländern. Gründungsdirektor des Jüdischen Museums der Stadt Wien und des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam. Zahlreiche Veröffentlichungen bei Hentrich & Hentrich.

Das könnte Sie auch interessieren